Hochwasserkatastrophe: Regionalrat muss handeln

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Zerstörte Straße und Gebäude in Bad MünstereifelNeuer Regionalplan muss Umwelt und Klimagerechtigkeit in den Mittelpunkt stellen und Flächenversiegelung begrenzen.

  • weiterhin Flächenfraß durch Laschets Entfesselungspaket
  • Neuer Regionalplan als Chance

Köln, 22.07.2021 – Allein in der letzten Regionalratssitzung am 25. Juni 2021 wurde die Versiegelung von 219 Hektar Boden beschlossen. Das sind 307 Fußballfelder, die auf Beschluss von CDU, SPD und FDP künftig zubetoniert werden können. Die Fraktion DIE LINKE. / Volt sieht ihre Position durch die Flutkatastrophe bestätigt: Die zunehmende Versiegelung von Flächen hat die zerstörerischen Wassermassen begünstigt.

„Wir wurden für unsere Haltung teils so vehement angefeindet, dass die Mikrofone übersteuerten. Spätestens jetzt sollte allen klar sein, dass klimagerechte Flächennutzung keine Ideologie, sondern eine Frage des Überlebens ist“, sagt Friedrich Jeschke, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. / Volt im Regionalrat Köln. „Die mindestens 40 Todesopfer in unserem schwer getroffenen Regierungsbezirk sowie mehr als 200 Tote, die es über regionale und nationale Grenzen hinweg gegeben hat, zeigen, dass schon längst hätte gehandelt werden müssen.“

„Dieser Eindruck verfestigt sich weiter, wenn man im Regionalrat Laschets Parteifreunde seit Jahren beobachtet, wie sie Hunderte von Hektaren als Gewerbe- und Industrieflächen freigeben, obwohl teils kein konkreter Bedarf besteht und selbst die Verwaltung in ihren Unterlagen von „schutzwürdigen Böden“ spricht“, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Beate Hane-Knoll. „Es verwundert nicht, dass schon 2017 als eine der ersten Aktionen von Laschets Landesregierung im sogenannte Entfesselungspaket die Begrenzung der Flächenversiegelung aufgeweicht worden ist.“

„Der „Flächenfraß“ ist ein großes Problem“, sagt auch Jeschke. „Das Umweltministerium NRW verweist hier selbst sehr eindrücklich auf eine Begrenzung – doch davon wollen weder CDU, SPD und FDP im Regionalrat etwas wissen, noch wird dies in den Städten und Kreisen berücksichtigt. Die Schutzgüter Menschen, Tiere und Pflanzen werden bei den Entscheidungen ignoriert, obwohl sie in nahezu jedem Gutachten als bedroht erwähnt werden.“

Neuaufstellung des Regionalplans muss als Chance genutzt werden

Die Flutkatastrophe hat noch einmal gezeigt, wohin Laschets entfesselte Flächenversiegelung führen kann – mit Auswirkungen bis hin in die Niederlande. „Diese Katastrophe hat den gesamten Regierungsbezirk bis ins Mark getroffen und kann nicht ignoriert werden.“ so Jeschke. „Alleine der Wiederaufbau der Infrastruktur erfordert Weitsicht.“ Derzeit befindet sich der Regionalplan für den Regierungsbezirk Köln in der Neuaufstellung – dabei geht es insbesondere um die Nutzung der Flächen sowie den Auf- bzw. Ausbau der Infrastruktur. „Gerade in Bezug auf Frühwarn-Systeme und Apps ist hier auch das Glasfasernetz besonders wichtig. Außerdem muss der Wiederaufbau als Chance gesehen werden, das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel auszubauen.“

„Die aktuellen Ereignisse erfordern eine Neubewertung der Kriterien. Alles andere ist unverantwortlich“, sagt Jeschke. „Unsere Fraktion steht hier motiviert bereit. Doch bedarf es eines Umdenkens von CDU, SPD und FDP, die vor den Kameras im Katastrophengebiet etwas anderes sagen als das, was sie tatsächlich politisch beschließen.“

„Die Fraktion DIE LINKE. / Volt fordert für den neuen Regionalplan, dass die Schutzgüter Menschen, Tiere und Pflanzen an erster Stelle stehen müssen und keine nicht nachhaltigen Kompromisse gemacht werden dürfen“, sagen Jeschke und Hane-Knoll. „Bei der Raum- und Landesplanung muss über nationale Grenzen hinweg eine ganzheitliche Betrachtung von Ursache und Wirkung erfolgen, schließlich hat dies auch Auswirkungen auf andere Regionen und unsere Nachbarländer.“ Betroffen von den extremen Regenmassen waren auch die Niederlande, Frankreich, Luxemburg, Liechtenstein, Slowakei, Ukraine, Kroatien, Großbritannien, Schweiz, Tschechische Republik, Rumänien und Italien.

ZUM HINTERGRUND:

Einige Mitglieder der Fraktion DIE LINKE. / Volt konnten sich selbst ein Bild der Notsituation im Hochwassergebiet machen – ob als zivile Helfer*innen vor Ort oder durch betroffene Freund*innen und Kolleg*innen.

Soforthilfen weggekürzt

Auf der einen Seite sorgte die schwarz-gelbe Regierung schon 2017 dafür, dass Umweltschutz durch „mehr Flexibilität bei der bedarfsgerechten Planung von Siedlungs- und Gewerbeflächen“ hintansteht. Auf der anderen Seite wurden schon Mitte 2019 die Nothilfen nach Umweltkatastrophen bewusst weggestrichen, sodass nur noch wenige Härtefälle unterstützt und somit staatliche Gelder gespart wurden.

„Man schafft aufgrund finanzieller Interessen eine für viele ausweglose Situation und lässt gleichzeitig die Opfer mit den Folgen im Stich“, sagt Hane-Knoll.

Denn: „Laut Klimastudie des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) könnten sich bis Ende dieses Jahrhunderts allein die Schäden durch Hochwasser verdoppeln, je nach unterstelltem Klimamodell sogar verdreifachen. Schon deshalb kommen auf die Länder zusätzliche Ausgaben für den Hochwasserschutz zu – für den Ausbau von Deichen und die Schaffung von Überflutungsflächen.“ So wird „in Zukunft der Versicherungsschutz noch entscheidender, wenn Flüsse wieder über die Ufer treten oder Starkregen ganze Orte unter Wasser setzt“, schreibt der GDV schon vor zwei Jahren.

Warnungen ignoriert

Die konkrete Problematik wird also nicht nur generell schon seit Jahren ignoriert. Wie sich jetzt herausgestellt hat, wurden auch die deutschen Behörden schon mindestens vier Tage vor dem Unwetter auf die konkreten Folgen sowie die Notwendigkeit von Evakuierungen in der Region aufmerksam gemacht.

„Warum die vorliegenden Warnungen nicht viel mehr und eindringlicher weitergegeben worden sind, muss schnellstmöglich und komplett transparent aufgeklärt werden“, sagt Jeschke. „Gerade in diesen Krisensituationen sehen wir, wie wichtig die europäische Zusammenarbeit ist: Das europäische Frühwarnsystem EFAS hätte viele Tote verhindern können, wenn darauf gehört worden wäre, es gibt Betroffene und Helfer*innen über die Grenzen hinweg und natürlich kann der Klimaschutz nur europäisch und global sinnvoll umgesetzt werden.“

Über die Fraktion DIE LINKE. / Volt

Die Fraktion DIE LINKE. / Volt ist eine von fünf Fraktionen in dem auf Grundlage des Landesplanungsgesetzes gebildeten Regionalrats Köln. Die Fraktionsbildung der Einzelmitglieder Beate Hane-Knoll (DIE LINKE., stellv. Fraktionsvorsitzende) und Friedrich Jeschke (Volt Europa, Fraktionsvorsitzender) erfolgte zur Neukonstituierung des Rates im Februar 2021 mit einem gemeinsamen Fraktionsstatut und dem gemeinsamen Bekenntnis zu einer gerechten, nachhaltigen und ökologischen Politik in der Raum- und Landesplanung.


3 Comments

Steffes Peter · 22. Juli 2021 at 18:36

Das gesamte Ansinnen das hier beschrieben wird ist nur insoweit gut, wenn gleichzeitig auch der präventive Katastrophenschutz, wie öffentlicher Hochwasserschutz- und Abwehrbau, systematische und international vernetzte Zusammenarbeit zwischen Wetter-, Geologie- und Geographiediensten (IWGG) und den angeschlossenen Vorwarnsystemen organisatorisch sowie personell ausgebaut und professionalisiert wird. Weiterhin müssen die vorversetzten praktischen Schutzmaßnahmen, wie Aufbau von Spuntwänden, Sandsackdämmen (übrigens müssten Sandsäcke schon vorbereitet und fertig gefüllt in Lagern bereitliegen) und bautechnischen Sicherungsarbeiten an kritischen Infrastrukturen und Bauwerken neu durchdacht und geplant werden. Dies alles ist zukünftig betrachtet noch viel wichtiger als allein der Abbau der Flächenversiegelung.

    Friedrich Jeschke · 22. Juli 2021 at 21:37

    Hallo Peter, danke für deinen Kommentar. Ich bin da ganz bei Dir! Hier sei angemerkt, dass der Regionalrat nicht die Kompetenz hat. Diese Punkte gehören in die jeweilige Landes- bzw. Stadtplanung der Kreise und Städte sowie in die Landesregierung. Selbstverständlich sind das Punkte, die dazu gehören – doch der Regionalrat hat hier nur ganz eingeschränkte und konkrete Aufgaben. Mehr dazu steht hier: https://www.bezreg-koeln.nrw.de/brk_internet/gremien/regionalrat/aufgaben/index.html

Michael Händel · 21. Juli 2023 at 14:59

Diese Katastrophe (und natürlich alle Ähnlichen dieser Art) ist so ziemlich das Schlimmste, was Menschen und ihrer Existenzgrundlage passieren kann – den Opfern gehört unser uneingeschränktes Mitgefühl und allen Helfern und Rettern unser Dank – ABER folgendes muss uns allen (und vor allem der Politik) endlich klar werden:
Bei aller „Heimatverbundenheit“ – diese (sehr sicher nicht nur diesmal vom Hochwasser heimgesuchten) Gebiete gehören nicht mehr besiedelt!!
Umso schwerer wiegt zudem die Tatsache, dass Wiederaufbaufonds und so manche Versicherer nur vollumfänglich zur Schadensregulierung bereit waren/sind, wenn die Geschädigten ihre Objekte ausschließlich am selben Ort wieder herrichten.
Das ist – gelinde gesagt – weltfremd, widersinnig und vor allem ignorant gegenüber der klimatischen Entwicklung – denn auch in diesen Gebieten gilt die Regel: Nach dem Hochwasser ist vor dem (nächsten) Hochwasser – das kommt sicher nicht erst in 100 Jahren wieder.
Wie viele Male muss sich denn noch solch ein Drama wiederholen, bis sich in den Köpfen sowohl der Betroffenen als auch der verantwortlichen Politiker die richtige Einstellung zu dieser Problematik „etablieren“ kann??
Man hätte den Geschädigten umgehend eine Alternative in vor Hochwasser sicheren Gegenden in der Nähe anbieten sollen, wo sie ihre Existenz neu aufbauen können – mit Hilfe aller möglichen staatlichen und privaten Unterstützungsmittel inclusive der Ihnen zustehenden Gelder aus den Versicherungen. DAS wäre in diesem Fall die vordringliche (und einzig vernünftige) Aufgabe eines Sozialstaates gewesen – und vor allem die Einlösung der unzähligen (und doch kaum eingehaltenen) Versprechen diverser Politiker.
((Update – Meldung aus den Medien vor einigen Tagen:
Ganze 5% der versprochenen staatlichen Hilfen sind bisher bei den Opfern angekommen 😬😡))
Dazu hätte man einerseits die Versicherer regresspflichtig machen müssen, wenn sie die oben genannten Alternativen nicht freiwillig unterstützen – im Gegenzug ist es als völlig legitim anzusehen, wenn Versicherer zukünftig jegliche weitere Risikoübernahme in den bisherigen, latent gefährdeten Gebieten ablehnen.
In aller Kürze formuliert: Es wäre grundsätzlich erforderlich, die bisherigen, vom Hochwasser betroffenen Gebiete zu entsiedeln, um weitere Verluste an Menschen sowie materiellen und finanziellen Mitteln zu vermeiden. Wer da weiter wohnen bleibt, ist zukünftig wohl eher nicht bemitleidenswert – sorry.

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